Interview: Heino Stöver über die Chancen der E-Zigarette
Prof. Dr. Heino Stöver, Sozialwissenschaftler und Professor für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Science (UAS), setzt sich immer wieder für gesetzliche Regelungen und Verbraucherschutzbestimmungen bei E-Zigaretten ein. Heino Stöver ist Herausgeber der ersten wissenschaftlichen Darstellung über E-Zigaretten, deren Geschichte, Toxikologie, Verbreitung und Konsummuster. In diesem Zuge wird auch über Chancen und Risiken für die Gesundheit und die Schadensminimierung für Raucher(-innen) in der Tabakprävention informiert. Wir haben den renommierten Wissenschaftler dazu einmal genauer befragt.
Sie haben den ersten wissenschaftlichen Sammelband zur E-Zigarette herausgegeben. Was hat Sie dazu motiviert?
Ich bin der Auffassung, dass es eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die zum Teil emotional geführte Diskussion um E-Zigaretten geben muss. Der Erfolg der Leserinnen und Leser hat mir recht gegeben: Es besteht großes Interesse daran.
Während der Arbeit an dem Band: Auf welche Hindernisse und Herausforderungen sind Sie gestoßen, was hat Sie am meisten überrascht?
Überrascht hat mich, dass einige Wissenschaftler sich nicht getraut haben, ihre Resultate im Band zu publizieren. Sie hatten Angst, zu sehr in die Nähe einer E-Zigaretten-Diskussion zu geraten, die vielleicht zu positiv ist.
Sie beleuchten die Nutzung der E-Zigarette, ihre Geschichte und die Diskussion darüber. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in der E-Zigaretten-Nutzung?
Die E-Zigarette wird hauptsächlich von ehemaligen oder Noch-Rauchern genutzt. Sie bietet die Chance auf einen Um- oder sogar Ausstieg aus der Tabakabhängigkeit. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Da wir nicht viele Pfeile im Köcher der Entwöhnungstherapie haben, darf man nicht (vorschnell) und ohne Not Pfeile rauswerfen. Die E-Zigarette bietet die Chance auf Schadensminimierung – diese Chance sollten wir ergreifen.
Welche Zukunft prognostizieren Sie der E-Zigarette?
In anderen europäischen Ländern hat sie bereits einen Siegeszug angetreten. Das wird bei uns über kurz oder lang auch so sein. Die Verbrennungszigarette ist out. Experten rechnen mit 10-12 jahren, dann ist es damit vorbei. Zur Befriedigung oraler, haptischer Bedürfnisse wird es irgendetwas geben. Die E-Zigarette ist sicher ein Teil dieser Bedürfnisbefriedigung.
Wie schätzen Sie den wissenschaftlichen Diskurs um die E-Zigarette ein?
Natürlich ist es gesünder Waldluft zu atmen, als zu dampfen. Nur: Es geht ja im Wesentlichen um abhängige Raucherinnen und Raucher, die in der Regel mehrere – erfolglose – Versuche hatten mit dem Rauchen aufzuhören. Da muss ein Abwägungsprozess und ein Versuch der Schadensminimierung (die sog. Harm Reduction) stattfinden.
Gibt es dazu national / international Unterschiede?
Wie bereits dargestellt, hat die E-Zigarette in England oder dem UK sowie in Frankreich einen höheren Stellenwert. Für England schätzen Analysten, dass dort ab dem Jahr 2020 mehr Menschen E-Zigaretten als konventionelle Verbrennungszigaretten nutzen.
Welche Studien würden Sie interessierten Einstiegsdampfern empfehlen?
Die Studie des Royal College of Physicians in England, das alle wissenschaftlichen Studien zusammen herangezogen hat.
Wie wurde Ihr Buch von der Scientific Community aufgenommen?
Sehr gut. Ich bin überrascht und wir denken schon an eine 2. Auflage.
Nachdem Ihr Buch auch von zahlreichen Redaktionen aufgegriffen wurde – wie schätzen Sie die Diskussion zur E-Zigaretten in deutschen Medien ein?
Wenn in Deutschland über 60% glauben, die E-Zigarette sei ähnlich schädlich wie die konventionelle Zigarette, dann ist hier etwas schiefgelaufen. Information und Aufklärung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) waren zu zögerlich und haben die Um- und Ausstiegswilligen nicht beraten oder begleitet.
Wie nehmen Sie die Bewertung des Dampfens seitens der Politik wahr und wie erklären Sie sich die fortschreitende Regulierung des Produkts?
Die Politikerinnen und Politiker, wie z. B.die damalige Bundesfamilienministerin (bis 2017) Manuela Schwesig, haben die Parole von der ähnlichen Schädlichkeit ausgegeben. Das macht einen sehr unaufgeklärten und uninformierten Eindruck.
Welche gesetzlichen Regelungen würden Sie empfehlen?
Werbeverbot für alle Tabakwaren und auch E-Zigaretten, Abbau der Zigarettenautomaten, höhere Besteuerung der Tabakwaren, geringe(re) Besteuerung der E-Produkte, um einen Anreiz zu geben um- oder auszusteigen.
Wie geht es für Sie und das Thema Dampfen weiter? Planen Sie in Zukunft weitere Arbeiten zur E-Zigarette?
Wir werden weiterhin den Weg der E-Zigarette und Raucherinnen und Raucher begleiten.
Über Prof. Dr. Heino Stöver
Heino Stöver studierte Sozialwissenschaften in Bremen und schloss sein Diplom als Sozialwissenschaftler 1982 ab. Nach der Promotion 1992, ebenfalls in Bremen, habilitierte er im Jahr 2000 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Im Jahr 2003 wechselte er das Fachgebiet auf „Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Gesundheitsförderung und Gesundheitswissenschaften“. Als Sozialwissenschaftler und Hochschullehrer widmet er sich intensiv dem Themengebiet der sozialwissenschaftlichen Suchtforschung und arbeitet national und international in Forschungsprojekten.
Zudem wirkt Stöver als Berater internationaler Einrichtungen und Ministerien und ist Mitglied des wissenschaftlichen Kuratoriums der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. In seiner Funktion als Vorsitzender des Vereins Akzept beschäftigt er sich mit humaner Drogenpolitik.
Schönen guten Abend.
Ich habe mir gerade den Text zur Befragung von Dr. Stövers Buch durch gelesen. Ich bin sehr erfreut das Dr. Stöver sich für das Thema E- Zigarette einsetzt.
Ich selbst rauche seit einem Monat nicht mehr, ich dampfe und habe kein Verlangen nach einer Zigarette.
Man könnte sogar meine, das es mir dadurch besser geht, aber ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Wenn ich sie in diesem Thema Unterstützung brauchen, lassen Sie es mich wissen. Was jetzt aber viel wichtiger ist, das die Regierung mehr Gelder für Studien einsetzt, so daß man tatsächlich Maßnahmen treffen kann, das man die E- Zigarette mehr zum Vorschein bekommt bzw, das man Rauchern zeigt das dass dampfen nur Vorteile bringt..
Mit freundlichen Grüßen
Jesse Tischler